Elektromobilität: Wie geht’s weiter mit den Steckerautos?

Neuwagen in der Schweiz sind wahre CO2-Schleudern – die Schweiz ist im Vergleich mit anderen Ländern Europas sogar traurige Rekordhalterin. Die Fachtagung Elektromobilität von Energy Science Center und VSE zeigte auf, welche Herausforderungen und Chancen warten, wenn wir unseren Verkehr elektrifizieren.
27.05.2019

Verkehr hat mit 36% den Löwenanteil am Endenergieverbrauch der Schweiz. Und er basiert immer noch fast vollständig auf fossilen Energieträgern wie Benzin, deren Verbrennung das Treibhausgas CO2 verursacht. Leider sind die in der Schweiz zugelassenen Neuwagen auch alles andere als vorbildlich, was den CO2-Ausstoss angeht – dieser lag 2018 im Schnitt bei 138 Gramm/Kilometer. «Damit die Schweiz ihren Zielwert 2023 von 95g/km nicht verfehlt, müsste etwa jedes zehnte Auto ein Stromer sein», sagte der Physiker Peter de Haan an der VSE-Fachtagung Elektromobilität in der ETH Zürich. Letztes Jahr traf dies indes erst auf 3,2% der neu zugelassenen Autos zu.

Grosse Herausforderung für das Verteilnetz
Der Übergang von einer komplett zentralen in eine zunehmend dezentrale Stromwelt wurde an der Tagung eindrücklich mit einer medizinischen Metapher beschrieben: Ein zentrales Herz wird entfernt, viele kleine Herzen sollen stattdessen den Blutkreislauf sicherstellen. Wie im Körper das Blut bis in die letzte Kapillare fliessen muss, soll auch das Verteilnetz den Strom bis in die abgelegensten Haushalte bringen. Dieses Unterfangen wird zunehmend komplexer, je mehr dezentrale Produktionseinheiten mit von der Partie sind. Und Verteilnetze sind nicht homogen in ihren Eigenschaften: Wohngebiete etwa weisen mehr Photovoltaik auf als Tourismusregionen. Sie tragen auch eine höhere Grundlast, während der Verbrauch in den Tourismusregionen stärker saisonal schwankt. Auch die anschlussbedingten Unterschiede sind gross. Lasten, die das eine Verteilnetz noch problemlos tragen kann, bringen andere Netze (muffenbasiert) rasch weit über ihre Grenzen.

Die ETH Zürich entwickelt gerade ein mehrdimensionales Modell, das aufzeigen soll, wie die Elektromobilität unser Stromsystem dereinst prägen wird.  «Wir modellieren dabei diverse Parameter wie Produktion, Energienetze, Systemsicherheit und Klimapolitik», sagte Gabriela Hug, Professorin für Informationstechnologie und Elektrotechnik in ihrem Vortrag.

Einbezug der Kunden, Tarifierung, Synergien
Die Tagung machte klar, dass nicht in erster Linie Verbote, sondern Anreizmodelle die Elektrifizierung des Verkehrs vorantreiben sollten. Und Stromtarife, die sich stärker an Leistung als an Arbeit orientieren würden, könnten einen grossen Beitrag leisten, damit die Transition zeitnah gelingt. So würde ein Kunde zum Beispiel mehr zahlen, wenn er sein Elektroauto sofort zu 100% geladen haben will, als wenn er dafür ein gewisses Zeitfenster offenlässt. Oder es werden preisliche Anreize geschaffen, sodass Kunden ihre Autos nicht vollständig laden, sondern nur bis zu einem gewissen Schwellenwert. Lithium-Akkus sind relativ schnell zu 80% geladen, benötigen für die restlichen 20% dann aber sehr lange.

Elektromobilität kann diverse Synergieeffekte mit sich bringen. Eines der bekanntesten Beispiele ist das Batterieauto, das bei Nichtgebrauch als Hausbatterie zur Netzstabilität beiträgt. Steuerbarkeit der Ladung und mittelfristig ausgebaute Netze sind dafür jedoch eine Voraussetzung. Die Kosten für den Ausbau können durch künstliche Intelligenz bedeutend verringert werden. Ein Smart-Meter-Rollout würde etwa Hand in Hand gehen mit einem Lademanagementsystem für Elektroautos.

Die Elektromobilität schreitet in der Schweiz nicht gleichmässig voran, auch dies ein Fazit der Tagung in Zürich. Haushalte mit höherem Bildungsgrad und Einkommen sind in der Anfangsphase affiner für Elektroautos, das gilt ebenso für Single- und Paarhaushalte im Vergleich zu Familien. Entscheidend sind eine grosse Auswahl an Fahrzeugen, die Steigerung der Batterie-Reichweite, einfache Lademöglichkeiten und sinkende Anschaffungspreise.

- Energy Science Center (ESC)

Einsatz des VSE für die Elektromobilität

- Wie sieht ein zukunftsfähiges Stromnetz aus? > Fachtagung Strategie Stromnetze