BDEW-Kongress 2019: Optimismus an allen Fronten

Führungskräfte aus der Energiebranche, Politik und Wissenschaft spiegelten am vergangenen Kongress des deutschen Dachverbands der Strombranche (BDEW) in Berlin die Herausforderungen der Energiewende. Im Hinblick auf bereits Erreichtes äusserten sich die Redner betont optimistisch. Und das Thema CO2 erhielt einen neuen Dreh.
13.06.2019

«Sechs Gigawatt an erneuerbaren Kapazitäten wurden in den vergangenen 12 Monaten von der Branche aufgestellt», sagte Stefan Kapferer, Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zum Kongressauftakt des BDEW-Kongresses in Berlin. Über drei Gigawatt an Kohlekapazitäten habe man in derselben Zeit stillgelegt. Deutschland verfüge zudem über 30% mehr Ladestationen für Elektroautos als noch vor einem Jahr. Der Subtext all dieser Aussagen: Der deutsche Branchendachverband sieht die Energiewende auf Kurs – und tritt in der Rolle eines zuversichtlichen und selbstbewussten Akteurs auf. Die Energiebranche sieht sich wieder als Wachstumsbranche.

Neue Mobilität, Power-to-X, digitale Umwälzung

Knapp ein Viertel der Bruttowertschöpfung in Deutschland geht auf das Konto des Industriesektors. Stefan Kapferer fand deshalb deutliche Worte in Bezug auf den Umbau des Energiesystems: «Wenn die Energiewirtschaft nicht ökonomisch erfolgreich ist, wird es den Industriestandort Deutschland 2050 nicht mehr geben.» Das Wachstum von morgen sei «grünes Wachstum», doch Nachhaltigkeit sei nur dann gegeben, wenn auch nachhaltig gewirtschaftet werde.

Grosse Geschäftschancen sieht der Branchendachverband in der neuen Mobilität. «Mit einer wachsenden Zahl an Elektrofahrzeugen wächst der Bedarf an Ladesäulen, an cleveren Kundenlösungen, smarten Technologien und an Strom», so Kapferer. Power-to-X, also Technologie zur Speicherung von Stromüberschüssen während eines Überangebotes an variablen Erneuerbaren, wurde am BDEW-Kongress gar als «das Business von morgen» bezeichnet. Deutschland steht vor dem Dilemma, dass es im Norden massenhaft Energie aus Windstrom erzeugt – die hauptsächlichen Abnehmer des Stroms sich jedoch im Süden des Landes befinden. Neben einem Leitungsausbau («Stromautobahnen») könnte auch Power-to-Gas zur Lösung dieses logistischen Problems beitragen. So würde der Strom aus Offshore-Windkraftwerken z.B. direkt vor Ort zur Herstellung von Wasserstoff genutzt. Einmal «vergast», könnte die Energie dann bequem über Wasser und Land transportiert werden.

Digitale Technologien nutzt die Branche bereits heute erfolgreich, um auf allen Wertschöpfungsstufen Kosten zu optimieren, dies ein weiteres Fazit am BDEW-Kongress. Die nächste Stufe der Digitalisierung wäre das EVU als «Amazon für Energie», sagte die BDEW-Präsidentin Dr. Marie-Luise Wolff, also der Übergang vom Stromlieferanten zum vielseitigen Dienstleister in einer Plattformwirtschaft – mittels gezielter Auswertung und Nutzung von aggregierten Kundendaten.

Inwiefern ist die Politik in der Pflicht, damit die Energiewende weiterhin Fahrt aufnimmt? Stefan Kapferer äusserte sich sehr prägnant zum Thema CO2: «Wir brauchen endlich eine Bepreisung im Wärmemarkt und im Verkehrssektor. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass Strom, inzwischen zu 44% erneuerbar produziert, am stärksten mit Steuern, Abgaben und Umlagen belastet wird.» Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, ebenfalls zu Gast, lehnt die Einführung eines CO2-Preises nicht mehr grundsätzlich ab, wie noch bei seinem Amtsantritt. Als Entlastung für den Verbraucher seien dafür die staatlichen Abgaben auf den Strompreisen zu senken.

Eine klare Absage erteilte der BDEW der Kernenergie. Konservative Kreise hatten im Vorfeld vorgeschlagen, Kohlekraftwerke noch rascher vom Netz zu nehmen – und dafür einige Kernkraftwerke länger laufen zu lassen. «Es ergibt keinen Sinn, auf der Zielgeraden eines Prozesses eine Debatte neu anzufangen», so Stefan Kapferer zum Thema.